3 Städte in 3 Tagen – 3/3 Modena

Wie ich schon in Venedig feststellen durfte und es hiermit noch einmal für mich bewiesen wurde, haben italienische Städte am Morgen einen völlig anderen Charme als zur Mittagsstunde oder gar zum Abend hin. Die Gassen sind noch mit kühler Luft gefühlt, da wird selbst ein längerer Spaziergang noch zum Vergnügen und nicht zum Härtetest für die mit Saharaluft gefüllter Lunge. Es sind weniger Menschen unterwegs und wenn, dann fast ausschließlich ältere Herrschaften die in gewohnter italienischer Gemütlichkeit zum Einkaufen schlendern, wohl aber nie ankommen, da sie an jeder Ecke auf einen geliebten Mitmenschen treffen, mit dem dringends ein ausgiebiger Plausch gehalten werden muss. Und so guckte auch ich mir diese morgendliche Gelassenheit ab, als ich mich auf den Weg zu einem Frühstückscafé machte. Es liegt der Geruch von Kaffee und den Gedanken der gesprächigen Bürger:innen in der Luft. Nachdem ich am Morgen nochmal ein paar Bahnen im Schwimmbad geschwommen bin, um meinen Körper zu benötigter Frische zu verhelfen, machte ich mich schnurstracks auf den Weg nach Modena um diese Vitalität auch in der Stadt noch beizubehalten. Aus Bomporto nehme ich viele interessante Gedanken mit. Und eine stylische, dennoch ziemlich überteuerte Badekappe mit dem so klangvollem Wort „Modena“ bedruckt, die ich mir an diesem Morgen dann doch noch zwangsweise zu eigen machen musste.

 

So komme ich also mit klarem Kopf (ohne Kappe darauf) in der Metropole an und sitze auch sogleich im Café ‚Torrefazione‘. Und auch hier wird meine zweite Feststellungen über italienische Morgende nochmals bestätigt. Ich bestellte einen Latte Macchiato, zwei Gebäckstücke und am Schluss noch einen weiteren Caffé als Nachtisch. Für dieses ausgiebige Frühstück wurden von mir der Preis von unglaublichen 5 Euro verlangt. In Berlin ist alleine der Latte Macchiato, der dort wahrscheinlich auch nicht annähernd so gut wäre, so viel „wert“. Irgendwas machen wir da doch falsch und Italien goldrichtig. Ebenfalls interessant war für mich die Art, wie mir das Getränk serviert wurde. Auf meinem Tisch standen ein großes Glas aufgeschäumter Milch und ein kleines Kännchen mit dem Espresso darin separat. Sie geben mir also den Genuss, die Eigenmündigkeit mir mein Getränk selber und nach belieben zuzubereiten. So wird das Einnehmen des morgendlichen Heißgetränks zu einer Handlung ganz für sich, die man dadurch doch ein wenig mehr wertschätzt, zumindest aktiver wahrnimmt. Beim Beobachten des Treibens um mich herum auf den Straßen und im Café bestätigt sich schlussendlich auch mein dritter Eindruck von den Morgenstunden italienischer Art. Wie ich es auch schon in Venedig mit Staunen bekundet habe, wird auch hier in diesem Café um 9:30 Uhr in der früh Weißwein und Espresso gleichermaßen serviert und genossen. Sicherlich müssen all diese Menschen heute noch zur Arbeit oder sich in irgendeinem anderen Schaffen betätigen, aber das hindert sie nicht daran den Tag mit purem Genuss am Leben zu starten! Eine einzigartige Lebensphilosophie.

 

Nach dieser Erkenntnis und mit dem Gefühl der Genugtuung über dieses Schnäppchen ging es für mich bei bester Laune weiter in die Stadt. Um der nächsten Ecke wartete schon eine der Hauptattraktionen Modenas, der ‚Mercato Storico Albinelli‘. Ein reges Treiben in einer Art Lagerhalle mit offenem Design. Riesengroße Stände mit den verschiedensten Produkten in jeglicher Ausführungen reihen sich aneinander und bilden so ein kleines Straßennetz unter der gläsernen Überdachung. Alles sehr systematisch und bequem für den Konsumenten aufgebaut, die größte Schwierigkeit liegt hier sicherlich nur darin, am Ende wieder rauszufinden und wirklich nur die Dinge seiner Einkaufsliste in der Tasche zu haben. Von allen Seiten lächeln einen die feinsten kulinarischen Spezialitäten an. Frisches Gemüse, das so grün und rot und orange eingefärbt ist, man könnte fast glauben es seien Attrappen. Von Wein, lokal und aus dem ganzen Lande, über Balsamico-Essig frisch und direkt aus Modena, der ursprünglichen Herkunft dieser Delikatesse, bis hin zu hochwertigem Käse aus der Region und in jeglichen Reifegraden, frei nach individuellen Vorlieben erhältlich. Und dazu das einzigartige Schauspiel der Gespräche zwischen Händler und Kunden, das man so nur auf einem echten Markt zu sehen bekommt. Ein wahrer Genuss für alle Sinne, von der Optik bis zu den Gerüchen.

 

 

______

 

______

 

Zu diesem Markt sollte ich zwar später nochmal gelangen, jetzt entschied ich mich aber erstmal weiter und in Richtung der bedeutenden Bauwerke der Ortschaft zu wandern. Gleich an den Markt schließt sich der Piazza Grande an, auf dem auch schon die nächsten Verkaufsstände aufgebaut wurden. Diesmal waren es aber Bücher, Kunst und weitere in Handarbeit geschaffene Produkte. Da ist es definitiv schwer nicht sofort in einen Kaufrausch zu verfallen, aber ich habe mich mit Fassung gehalten und nur geguckt und bestaunt, jedoch kein einziges Produkt ergattert. Der Platz wird umrahmt von den wichtigsten Gebäuden Modenas. Zum einen wirft der ‚Tore Ghirlandina‘ seinen massiven Schatten über den Markt. Der historische Glockenturm steht seit dem 14. Jahrhundert an Ort und Stelle und ist einer der wenigen Italiens, der auch heute noch seine 90° zum Fundament beibehalten hat. Dem schließt sich auf der rechten Seite der ‚Palazzo Comunale‘ an. Sehr schöne und gut erhaltene Fassade aus früheren Zeiten. Doch das wahre Augenmerk ist hier dennoch ganz klar die Kathedrale von Modena, gewältig und stabil steht sie dort und beobachtet das gesamte Treiben der Stadt.

 

 

Leider war mir ein Blick ins Innere an diesem Tag verwehrt, da es eine große Hochzeit zu zelebrieren gab, aber schon die Ästhetik des äußernden Auftreten und insbesondere der runde Glaseinsatz an der Vorderseite hat schon zum Staunen gereicht. Als Wiedergutmachung boten mir die Gassen aber sogleich den Weg zu einem weiteren mächtigen Gotteshaus an, dass ein paar Meter entfernt vom Zentrum liegt und somit nicht von Menschenmassen überrannt ist. Die ‚Chiesa Parrocchiale di Sant’Agostino‘ hat mich reichlich entschädigt für das Missen der Hauptsehenswürdigkeit. Der Innenraum erstreckt sich beim Eintreten wie ein endloser Saal vor einem. Doch zu aller erst fällt einem definitiv die Decke mit ihrer Bemalung auf voller Länge und reichlich Prunk ins Auge. Auch die Wände der Seitenschiffe sind mit Kunst übersäht und der Altar an der Spitze des Gemäuers, welcher mit reichlich Gold überschüttet wurde, steht da definitiv im Schatten der gemalten Meisterwerke.

 

Direkt anknüpfend, im selben Gebäude fast schon, liegt der ‚Palazzo dei Musei‘ mit der ‚Galleria Estense‘. So ist es für mich nur naheliegend (in doppeltem Sinne), dass ich auch am dritten Tag meines Städteexkurses das dritte große Kunstmuseum erkunde. Und ein weiteres Mal mit vollem Erfolg. Wieder einmal befindet sich im Erdgeschoss eine Dauerausstellung, die wahrscheinlich nicht sehr viele Blicke auf sich zieht, dennoch sicher ihre Daseinsberechtigung hat. Doch neben der Gemäldegalerie in den oberen Stockwerken hat diese Outdoorausstellung von restaurierten altertümlichen Sandsteinbalustraden und -säulen im Innenhof keine Chance. Nicht mal für eine Wertung durch den Eintrittspreis hat es gereicht, denn dieser Teil des Museums ist für jeden frei zugänglich. Die Sammlung der Gemälde wurde erstmals 1854 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und war bis dahin im Privatbesitz der Herzogfamilie von Modena. Diese hatten ihr Inventar über mehrere Jahrhunderte generationenübergreifend geführt, sodass nun Werke aus dem 14. bis zum 18. Jahrhundert zu besichtigen sind. Darunter auch einige der wichtigsten italienischen Maler überhaupt, wie Bernini, El Greco und Corregio. Sehr lohnenswert, aber das habe ich inzwischen nach jedem Museum auf meiner Reise gedacht. Aber wenn es doch so ist. Neben den Gemälden an der Wand, die diesmal sogar wirklich mit echten Lampen beleuchtet wurden, werden auch ein paar Skulpturen ausgestellt. Darunter zwei, die ich in solcher Art noch nie gesehen hatte. Gemacht aus Holz und Korallen wurde hier die Christuskrippe in zwei Varianten erschaffen.

Irgendwann entschied ich dann aber, genug Kunst für heute und zog mich aus dem Museumskomplex zurück, eilte noch einmal auf den Markt bevor er seine Tore schließt und ergatterte noch ein paar exquisite Spezialitäten. Daraufhin ließ ich mir schon fertig angerichtete Spezialitäten in einem Restaurant servieren und zum Abschluss des Tages legte ich mich nochmal kurz im ‚Parco Giardino Ducale Estense‘ nieder, um die Impressionen des wilden Stadtlebens auf mich wirken zu lassen, umgeben von idyllischer Stille und dichtem Grün. Der Nachmittag war somit weitestgehend vorüber und noch bevor der Abend anbrechen wollte, saß ich schon wieder hinterm Steuer und kutschierte mich aus dem Häuserdschungel von Modena heraus…

 

 

~3 Tage, 3 Städte, 3 Museen, 3 verschiedene Arten des Frühstückskaffees, 3 wesentliche Erkenntnisse über den italienischen Morgen, 3 völlig verschiedene Atmosphären und tausend prägende Eindrücke~

___

 

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
guest
1 Kommentar
Oldest
Newest Most Voted
Inline Feedbacks
View all comments
Urbiestone
Urbiestone
2 Jahre zuvor

Hallo Ben,
mein geduldiges Warten auf weitere Reiseeindrücke von dir wurde heute belohnt:
Eine gelungene Mischung aus Coffein – Zelebrierung, Kunsterlebnissen, Alltagsbeobachtungen und anderen Überraschungen, gepaart mit einem Wechselspiel der Sinne. Sie gefällt mir sehr, deine Art zu schreiben. Ibn … ; D

1
0
Would love your thoughts, please comment.x