3 Städte in 3 Tagen – 2/3 Reggio Emilia

Nach einer Nacht im, bzw. auf einem Feld im so schönen Nirgendwo, zog ich schon ein wenig früher als am Vortag in die zweite Metropole. Reggio Emilia, Hauptstadt der umliegenden Region Emilia Romagna.

Schon gegen zehn Uhr des Morgens parkte ich den Untersatz und wurde in die Stadt durch einen riesigen Torbogen, hinter dem ein idyllischer Park, bestückt mit Marmorskulpturen unter prächtigen Bäumen, wartete. Die Eingangspforte ist Teil der städtischen Bibliothek in dessen Café man, und zu dieser Stunde viele Student: innen, unter dem geschwungenen Verzierungen einen Cappuccino genießen kann, während im gerade geliehenen Buch gestöbert wird. Den Cappuccino gab es für mich allerdings nicht dort, sondern in der Altstadt bei einem zweiten Frühstück italienischer Art mit Gebäck auf einem Barhocker mitten auf dem Asphalt einer kleinen, obgleich befahrenden Straße. Aber um dort anzugelangen, musste ich erstmal die pompösen Bauwerke und Plätze der Stadt passieren. Direkt hinter dem Park gesellt sich das städtische Kunst- und Naturkundemuseum an die Baumkronenfront. Eine breite Fußgängerstraße führt am Eingang vorbei ins innere der Stadt, diese zu überwinden wurde jedoch zu einem kleinen Hürdenlauf, denn die angrenzende Grundschule ließ zu dieser Stunde ihren Insassen zum täglichen Ausgang zur Mittagszeit freien Lauf. Diese nutzen die Chance auch gleich, um mit der kindlichen Phantasie zwei Tore zu erdenken und über die gesamte Breite der Straße ein hitziges Fußballmatch auszutragen. Ein Spektakel für jeden Beobachter, eine heikle Angelegenheit für Zuschauer, die sich ohne zu wissen wie ihnen geschieht, inmitten des Spielfeldes wiederfinden.

Doch ich kam unversehrt aus dem Schussfeld heraus und gelangte so auf den ‚Piazza Martiri del 7 Luglio‘, direkt angrenzend an den ‚Piazza della Vittoria‘. Aufgebaut in der Mitte des Platzes ein riesiger Markt, überwiegend Kleidung mit riesigen Schildern beklebt, die von grandiosen Schnäppchen erzählen. Dennoch ein reges Treiben und man merkt wie die Stadt langsam aufgewacht ist und so richtig in den Tag startet. Von dort aus ging es für mich weiter durch die altbekannten engen Gassen, die aber auch beim hundertsten Begehen kein Stück an Charme und Schönheit verlieren. Hier und da ein paar Hemden und rosa Unterhöschen auf der Wäscheleine über mir; die ein oder andere Katzen, balancierend zwischen den Balkonen im dritten Stock; Basilikum und andere Kräuter ranken sich aus dem Fenster im Sonnenlicht und das alles umrahmt von historischen Häuserfassaden aus Ziegeln in Rot- oder Gelbtönen. Ein ähnliches Bild überall, aber immer anders.

Sie führten mich diesmal zu einer schlichten Kirche, dessen Namen mir leider entgangen ist, doch was mir in Erinnerung bleibt ist dennoch der Anblick beim Betreten der Gemäuer. Von innen fiel sie deutlich größer aus als erwartet und was ihr an der Fassade an Extravaganz fehlt, das wurde im Innenraum gekonnt ausgeglichen. Bestückt und geschmückt mit prunkvollen Wandgemälden, Freskos und goldenem Altar. Sehr sehenswert, aber ein paar Minütchen in der andächtige Stille sollten mir ausreichen und ich zog weiter. Weiter in Richtung Cafés und weiter in Richtung meines Cappuccinos.

 

Mit dem Koffeinschub in meiner Blutbahn spazierte ich dann noch ein wenig weiter durch die Stadt, schlenderte an kleinen Boutiquen und großen Plätzen vorbei. Diese Unternehmung ging dann allerdings so lange, dass es schon wieder Zeit für die nächste Mahlzeit war. Zumindest für mich und meiner deutschen Vorstellung von Mittagszeit, die lokalen Restaurants waren da aber anderer Meinung. Irgendwann gelang es mir aber trotzdem an eine vorzügliche und mehr als großzügige Portion Pasta zu kommen. Und eigentlich war es das auch schon wieder fast für mich mit Reggio Emilia. Ich hatte alle Ziele meiner Liste abgearbeitet, sehr groß ist die Stadt an sich sowieso nicht und so begab ich mich schon wieder langsam in Richtung Parkplatz.

Doch auf meinem Weg dorthin wurde ich von mehreren riesigen Bannern, die über den Straßen aufgespannt waren, überredet, doch noch mal einen kleinen Abstecher ins Naturkundemuseum zu machen. Zum Glück, kann ich da nur sagen. Eine weitere sehr lohnenswerte Erfahrung im Museum und völlig anders als am Vortag. Neben der Dauerausstellung von hunderten ausgestopften Tieren und einer gewaltigen Steinsammlung (obgleich sie auch bei dieser Quantität immer noch einfach nur eine Sammlung von Steinen bleibt…), wurde mit der momentanen Sonderausstellung im zweiten Stock beworben. Eine Fotoinstallation mit dem Titel ‚Fotografia Europia‘. Stellte sich im Endeffekt als etwas völlig anderes heraus als ich gedacht hatte, denn vorgestellt habe ich mir eine Sammlung von Fotografien, aufgenommen in ganz Europa. In der Realität handelte es sich aber um eine Fotoserie, die den Bau eines Vergnügungsparks in Italien begleitete.Das Konzept des Parks klang vielversprechend, eine Ansammlung der größten Sehenswürdigkeiten Italiens als Miniaturmodelle an einem Fleck gesammelt und mit Achterbahnen und anderen Attraktion versehen um Touristen aus aller Welt, die nur wenig Zeit haben, das Komplettpaket des Landes an einem einzigen Tag zu liefern. Der Park ist kläglich gescheitert, schon zur Eröffnung stellte wurde dem Team um den Architekten Luigi Ghirri klar, dass da wohl keine Marktlücke gefüllt werden konnte. Dennoch hinterlässt er immerhin eine Reihe sehr interessanter Fotografien von den Alpen bis zum Kolosseum mit ihrem Schöpfer als Riese daneben.

 

 

Daran schloss sich dann aber noch eine, doch ziemlich umfangreiche Gemäldesammlung als zweite Dauerausstellung an, die dem Museum auch im letzten Drittel noch mal einen völlig anderen Charakter gegeben hat. Zum einen endlich auch mal ein paar Bilder dazwischen, die dem Kirchenthema ferngeblieben sind und dann haben sich aber zwischen die Rahmen an der Wand wohl noch ein paar Ausstellungstücke aus dem Erdgeschoss, also der Tierwelt, verirrt, denn es reihten sich Selbstporträts und Landschaftsmalereien aus vergangenen Jahrhunderten zusammen mit Jaguarköpfen und Stoßzähnen von Elefanten oder schlimmeren Kreaturen in den langen Gängen des Gebäudes. Hin und wieder auch eine Installation aus der Moderne dazwischengeworfen. So durcheinander und doch alles so erstaunlich stimmig ineinander verschlungen. Grandios! Danach ging es dann allerdings doch durch den Park zurück in Richtung Bibliothek und Auto. Ich verließ die Stadt und strandete eine Stunde später in einem klitzekleinen Örtchen namens ‚Bomporto‘. Ein Abend den ich nie mehr vergessen werde. Doch dazu im nächsten Beitrag mehr…

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