Aufbruch nach Padua

Immer noch mit Blick in Richtung Venedig, stieg ich nach einer dreieinhalbstündigen Autofahrt vom Norden Italiens und den Alpen bis an die östliche Küste, in einer völlig anderen Klimazone aus. Schon während der Fahrt merkte ich, wie das Lederlenkrad, dauerhaft von der prallen Sonne beschienen, immer heißer wurde, aber meine Klimaanlage hat noch gut gegenhalten können. Beim Öffnen der Autotür in Padua, einer größeren benachbarten Stadt Venedigs, trafen mich dann aber 30°C mit geballter Ladung ins Gesicht. Warum ich nicht direkt nach Venedig gefahren bin, liegt daran, dass es Sonntag war und ich mir gar nicht ausmalen mochte, wie viele Personen aufgrund von drängenden Menschenmasse unweigerlich in die Kanäle abgetaucht sind (Hyperbel). Etwas außerhalb des Zentrums habe ich den Van in einem schattigen Parkhaus abgestellt, um auch ihm ein wenig Erholung von der Hitze zu gönnen und bin zu Fuß in Richtung ‚Prato della Valle‘ geschlendert. Enge Gassen zwischen den typisch italienischen Häuserfassade führten mich immer tiefer ins Herzen der Stadt. Hier und da tauchte aus dem nichts eine gigantische Kirche auf, ansonsten ist abseits der zwei bis drei großen Fußgängerzone nicht wirklich viel los in der Stadt. Gedankenverloren und zugegebenermaßen ein wenig orientierungslos, vernahm ich auf einmal dröhnenden italienische Popmusik, die durch die Gassen hallte. Dem Echo der Schallwellen folgend, fand ich mich völlig unvorbereitet auf einem Platz vor der ‚Cattedrale di Santa Maria Assunte‘ wieder, dem Ursprung der kraftvollen Laute. Und dort wartete auf mich ein Schauspiel, dass ich so schnell nicht vergessen werde. Die hohen Eingangstore der Kirche weit geöffnet, davor drei Tänzerinnen in konformen orangen T-Shirts auf einer kleinen Bühne. Aus mehreren großen Lautsprechern schallen die knallende Laute durch die so ruhige Sonntagsidylle, zu denen sich die Mädchen bewegen und hin und wieder schmeißt eine Frauenstimme mit aller Kraft motivierende Parolen auf Italienisch zwischen die Musik. Doch für wen die Motivation? Vielleicht für die Masse an Kindern, mehrere dutzend, wahrscheinlich weit im dreistelligen Bereich, die sich auf dem Platz tanzend versammelt haben und Stück für Stück in die Kirche drängen (oder hineingezogen werden?). Aus allen Straßen, die an der Kirche münden, dringen immer mehr Gruppen von Kindern zusammen mit ein paar Betreuern auf den Platz. Ich wusste nicht wie mir geschieht, war nicht vorbereitet auf dieses Spektakel, nahm mir aber ein paar Minuten um das Schauspiel zu beobachten. Der Großteil der städtischen Bevölkerung unter 13 Jahren muss an diesem Tag dort versammelt gewesen sein. Ob sie später auch jemals wieder aus der Kirche herausgelassen worden sind, kann ich nicht sagen.

Von dort aus bahnte ich mir meinen Weg weiter durch die Stadt. Über den ‚Piazza delle Erbe‘, der früher denn so klangvollen Namen ‚Piazza de Vin‘  trug, da um 1200 dort der größte Weinmarkt der Region beheimatet war, ging es dann endlich zum ‚Piazza Prato della Valle‘. Eine grüne Oase inmitten der Stadt. In dem Park, der von einem künstlichen angelegten Kanal umgeben und mit glänzenden Marmorstatuen der feinste Sorte verziert ist, versammeln sich Touristen Hand in Hand mit Einheimischen, um dem Stein und Beton der Stadt zu entkommen, sich am Springbrunnen im Zentrum des grünen Fleckchens niederzulassen oder aber im Schatten der Bäume die Mittagshitze zu überstehen. Ich durfte beobachten, wie eine Gruppe von verschiedensten Leuten zusammen eine Art Kampfkunst im Tanz miteinander vollzogen, wobei sich immer zwei Personen im Duell der Tanzschritte gegenüberstanden, während die anderen im Kreis um sie herum gedrängt, rhythmische Lieder summen und an ausgefallenen Musikinstrumenten zupfen. Ein Schauspiel mit großem Unterhaltungswert, direkt aus dem Leben gegriffen. Rings um den runden Park wartet ein Kunstmarkt darauf entdeckt zu werden und beim Schlendern durfte ich mein Auge auf alte und neue Gemälde, Kleidung und Literatur jeglicher Art werfen. Einiges dabei von großem Wert wie ich meine, anderes wohl eher auf sehr spezielle Zielgruppen der Kunstkenner gerichtet…

Angrenzend schlummert die pompöse ‚Basilica di Sant’Antonio di Padova‘ anmutig, die ihre Tore aber an diesem Tag leider nicht für mich öffnen wollte, da die Vorbereitungen für die Sonntagsmesse am Nachmittag liefen. Zu gerne hätte ich einen Blick auf die Deckenmalerei und die Skulpturen Donatellos im Innern dieses Heiligtums (als eins von weltweit acht Heiligtümer eingestuft) geworfen, von der ich schon viele Mythen und Erzählungen zu Ohren bekommen habe. Beim nächsten Mal dann…

Das viele Laufen durch die verwinkelten Straßen war zwar ein wahres Vergnügen für meine Seele, aber wurde irgendwann zu einer Anstrengung für meine Füße, der sie sich nicht mehr lange unterziehen wollten. Also nahm ich noch eine Stärkung (an einer Snackbar, das es für mich zu einer Schwierigkeit sondergleichen wurde, ein echt italienisches Restaurant in dieser Stadt zu finden) zu mir und machte mich auf den Weg zum Auto und hinaus aus der Stadt. Ich wollte mir und meinen Füßen genug Erholung gönnen, um dem Abenteuer des nächsten Tages gewappnet zu sein.

 

 

 

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Opa
Opa
2 Jahre zuvor

Bin mächtig beeindruckt vom deinen Reisebeschreibungen. Bisher hasst du noch nie etwas von diesem Talent erkennen lassen. Besonders die Vielfalt der wirklich passenden Adjektive gefällt mir sehr. Wenn das so weiter geht, wird man bald Vergleiche mit einen sehr berühmten brandenburgischen Landsmann ziehen können (Fontane). Mach weiter so und bleib vor allem gesund. Dein Opa.

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