Portofino – Alleine in der exklusiven Bucht

Aufgewacht in aller Frühe mit malerischem Ausblick über Rapallo. Mein Parkplatz der Nacht lag an einer ruhigen Straße in den Bergen, die diese Hafenstadt einkreisen. In der Frische des Morgens bin ich die steilen Hänge im Leerlauf hinuntergerauscht und glitt auch schon alsbald durch die noch menschenleeren Straßen. Nur ein paar Stunden zuvor bin ich durch diese belebten Ecken der kleinen Stadt im Menschengedränge untergegangen, doch nun ist das einzige Geräusch in dieser Idylle das leise Rauschen meiner Räder auf dem glatten Asphalt. Warum ich überhaupt so früh unterwegs war, hatte einen bestimmten Grund, denn mein Ziel des Tages war ein Ort der von Exklusivität in Italien kaum zu übertreffen ist. Aber gerade deshalb ist er so gut wie dauerhaft von Menschen überrannt. Die Rede ist von dem Ort an dem schon Dalida und Andrea Bocelli ihre Liebe gefunden haben, das kleine, verschlafene Fischerdorf Portofino. Inzwischen kann von verschlafen aber keine Rede mehr sein, denn es ist allgemein bekannt, dass diese kleine Gemeinschaft am äußersten Rande einer kleinen Halbinsel beliebtes Urlaubsziel von den großen Namen dieser Welt ist. Gerade Bill Gates soll hier in den Sommermonaten ein und ausgehen und auch jeder Reiseführer den ich gelesen habe, hat empfohlen, sich in den Abendstunden einfach in nur in Hafennähe aufzuhalten und die Chancen für ein zufälliges Aufeinandertreffen mit einem Star stehen nicht schlecht. Auch wenn ich zu gerne den Anblick vom halbnackten Bill Gates auf dem Sonnendeck seiner Yacht gesehen hätte, habe ich hier bis zum Abend jedoch nicht verweilt, aber dazu später mehr.

 

Erst einmal musste ich ja von Rapallo zur Zieldestination gelangen. Ein Katzensprung und dennoch ist das Dorf recht gut versteckt und abgeschnitten von der realen Welt. Ich schwebte geschmeidig über den Asphalt auf einer Straße mit grandioser Aussicht immer dicht an der Küste entlang und durchschnitt die kühle Morgenluft. Ich kam an einer Unzahl von Jogger:innen vorbei, sie scheinen alle schnellstmöglich aus Portofino flüchten zu wollen. Zu meiner Linken die ruhigen Wellen in der hellblauen Weite, zu meiner Rechten die dunkelgraue Wand einer steilen Klippe, in meinen Ohren die Melodien von alten italienischen Klassikern. Mental war ich bestens Vorbereitet auf diesen Besuch der Extravaganz. Ein paar Kurven vor meinem Ziel habe ich Sicht auf die erste Yacht, ruhig und verschlafen liegt sie auf dem Meer. Je weiter ich fahre, desto pompöser wird die Größe und Ansammlung der Boote. Und nun endlich konnte ich die letzte spitze Kurve elegant umrunden und befand mich in Portofino. Es gibt genau eine Straße in diesem kleinen Örtchen. Diese teilt sich zwar hin und wieder in kleinere Nebenstraßen auf, ist aber im Grunde genommen der einzig befahrbare Weg im ganzen Ort. Und dazu auch noch ziemlich clever gelegt. Vom Ortseingangsschild schlängelt sie sich gut gepflastert bis hin zum Dorfzentrum und endet geradewegs im einzigen Parkhaus weit und breit. Wenn man sich als Tourist also denkt, man fährt mal ein wenig rum und findet schon irgendwo einen Parkplatz wird man unweigerlich und unausweichlich in das zweistöckige Gebäude geführt. Und damit schnappt die Falle auch schon zu, als würde man auf einer Welle direkt ins Maul eines Haies reiten, denn die Tarife haben es in sich!

 

Davon konnte ich mich aber nicht beirren lassen, denn schließlich gab es ja keine andere Möglichkeit sein Auto abzustellen. Viele Besucher lassen sich deshalb wahrscheinlich von Rapallo mit der Fähre in dieses Örtchen schiffen und werden dann am Hafen abgeworfen. Die Fahrt ist dabei definitiv günstiger als das Parken. Zu genau diesem Hafen führte mich mein erster Weg auch direkt. Gelegen an dem ‚Piazzetta di Portofino‘, dem einzigen größeren Platz, bildet er das Zentrum und Hauptanlaufstelle für alle Besucher des Ortes. Die exklusivsten Restaurants drängen sich hier dicht an dicht, um ihren Besuchern auf der Terrasse den besten Ausblick auf das Meer und die kleine Bucht zu bieten. Am Rande gesellen sich dann auch Modeboutiquen und Souvenirshops dazu. Darunter nur die großen Marken. Die 15 m² großen Filialen von Gucci, Prada, LV liegen direkt am Wasser, nicht mal zwei Meter Gehweg streifen befindet sich zwischen ihnen und dem Dock des Hafens. Da muss man als Kunde beim Verlassen des Geschäftes schon Vorsichtig sein, dass man sich keiner unverhofften Erfrischung unterzieht, wenn man seine gerade erstandene 300€ Sonnenbrille schon auf der Nase trägt und dazu immer noch völlig vom Glanz des Kapitalismus geblendet ist.

 

Ich merkte so langsam, dass sich mein frühes Aufstehen vielleicht doch nicht so gelohnt hat, wie erhofft. Ich habe definitiv die Touristenströme umgangen, denn der Piazza ist menschenleer. Doch die Einheimischen habe ich ebenso umgangen, denn die liegen noch seelenruhig in ihren Betten und schlafen tief und fest. Den italienischen Tagesrhythmus hatte ich bei all meinen Berechnung leider gänzlich außen vor gelassen. Zumal es auch noch Sonntagfrüh war und am gestrigen Abend sicherlich ausgelassen gelebt und gefeiert wurde. Dennoch, mein Ziel hatte ich erreicht. Völlige Ruhe und Idylle in Portofino. Fast ganz alleine saß ich auf einer Bank und schaute an den Felsen der Bucht vorbei, hinaus aufs weite Meer. Definitiv ein einzigartiges Erlebnis. Über mir tanzten bunte Wimpel in der leichten Meeresbrise, die über die Länge des gesamten Hafens gespannt sind. Ich folgte mit meinen Blicken der langen, farbenfrohen Linie, bis sie aber schließlich vom „Windspiel“ abließen, weil sie an den monströsen Schwimmobjekten auf der rechten Seite der Bucht hängen blieben. Wie nach der Größe sortiert liegen dort absolute Megayachten im Hafen, fernab jeglicher sinnvollen Proportion. Die größte Yacht im Hafen trägt die Aufschrift „Skyfall“ mit goldenen Letter auf dem blankgeputzten weißen Untergrund. Aus der Ferne beobachtete ich, wie mindesten 6 Bedienstete in weißer Poloshirt-Uniform mit der gleichen Aufschrift fleißig ihren Arbeiten nachgehen, während die Besitzer wahrscheinlich in einer der 7 Kajüten ihren Rausch ausschlafen. Das mit den 7 Kajüten, wohl eher aber Luxusschlafzimmern, weiß ich, weil mich natürlich interessiert hat, ob ich in ein paar Minuten James Bond von Deck laufen sehe. Daher habe ich mal ein wenig gegoogelt, ich hatte ja sonst nichts zu tun, da ich darauf wartete, dass das erste Café öffnet. Den oder die Besitzer:in konnte ich dabei leider nicht ausfindig machen, Daniel Craig ist es auf jeden Fall nicht. Dafür aber den Preis, zu dem man dieses Bauwerk jetzt Chartern kann, nachdem sie 2010 erstmals Wasser gesehen hat, 2018 dann aber von privatem Besitz in das Charterunternehmen überführt wurde. 300k die Woche. Naja, wenn man sich unter den 12 Personen, die das Schiff mitführen kann, den Preis aufteilt, ist das doch fast schon ein Schnäppchen. Dazu noch vielleicht noch ein paar tausende Dollar für den Sprit und schon gleitet man über die Weiten des Ozeans. Die 12 Bediensteten an Board gibt’s umsonst dazu und die dürfen sogar in einer kleinen Kajüte unterkommen. Bei dieser Größe hätte man auch keineswegs ein eigenes Zimmer für jeden leibeigenen Diener einrichten können, weil sonst der schiffseigene Weinkeller viel zu klein ausgefallen wäre. Falls man einen Hafen mal nicht ansteuern kann, weil er schlichtweg zu klein für diese Monsteryacht wäre, ist das auch kein Problem, denn dafür ist ja der Helikopterlandeplatz an Board da.

 

Und als ich dort auf der Bank so sitze und mir denke, größer kann ein Schiff kaum werden, wenn es im Wasser auch noch vorwärts kommen möchte, werde ich doch im gleichen Moment eines besseren belehrt. In der Ferne, draußen auf dem Meer, drückt sich ein Kreuzfahrtschiff von unglaublicher Größe um die Ecke der Bucht. Langsam, schwer, gewaltig. Wie ein gewaltiger Häuserblock der bei einer Flut ins Wasser gespült wurde, liegt es nun vor der grünen Bucht, erstreckt sich über die gesamte Länge des Eingangs und versperrt jeglichen Blick aufs Mittelmeer. Irgendwann bleibt das Ding liegen, wirft seinen Anker aus und schlummert nun vor Küste mit Blick auf die bunten Fischerhäuser Portofinos. Selbst im Leerlauf, ohne sich auch nur einen Zentimeter zu bewegen, spuckt dieser Drache dichte, dunkle Rauchwolken aus und ich frage mich jetzt nur, wie lange es wohl dauern wird, bis sich das türkisgrüne Wasser am Ufer vor mir in bleiernes Grau verfärben wird.

 

Ich wende mich ab, stehe auf und verlasse den Piazzetta. Die idyllische Aussicht wurde mir ja jetzt genommen. Der Hunger bringt mich aber so langsam sowieso in Bewegung und treibt mich voran auf der Suche nach einem ordentlichen Frühstück. Die Lokale um mich herum haben noch geschlossen, aber nur eine Nebenstraße weiter finde ich ein gut gefülltes Café mit Tischen auf der Straße. Hier lasse ich mich auch sogleich nieder, zwar nicht wie gewünschtmit Blick aufs weite Meer, dafür aber mit Blick auf die Einheimischen, die hier so langsam ihren Tag starten. Kaffee und ein paar noch warme Gebäckstücke frisch aus dem Ofen. Vorzüglich!

 

Nach dieser Stärkung war ich eigentlich bereit, Portofino einmal richtig zu erkunden. Nur hatte ich eigentlich schon die Hälfte der Sehenswürdigkeiten hinter mir. Der berühmte Yachthafen und die bunt angestrichenen Häuser am Ufer hatte ich ja schon gesehen. Diese waren übrigens früher in simplen weiß bemalt, wurden dann jedoch irgendwann umdekoriert, weil die Fischer, die von einem langen Tag auf der See wieder in den heimischen Hafen einliefen, ihr Haus schon von weitem erkennen wollten, um das Gefühl von Heimat schon vor dem Anlegen zu spüren. Daher reihen sich nun Häuserfassaden in hellen, bunten Farben, wie Gelb, Rot und Blau an der Küste entlang und bilden einen sehr schönen Kontrast zu den grauen Felsen ringsherum. Also schlenderte ich ein wenig zwischen den kleinen lokalen Läden umher, die einer nach dem anderen nun ihre Türen öffneten. Doch bald hatte ich auch diese alle abgeklappert und mir blieb zur Besichtigung nur noch die Kirche des Dorfes. Man kann zwar von Portofino auch malerische Wanderungen durch den gleichnamigen Nationalpark starten, aber danach stand mir an diesem Morgen nicht der Sinn. Das Gotteshaus ist für so ein kleines Örtchen recht groß gebaut und liegt seelenruhig ungefähr in der Mitte. Auch von Innen ist sie sehr prunkvoll ausgestattet, goldenen Verzierung an den weißen Wänden und dem Altar aus Marmor. Über meinem Kopf eine andächtige Deckenmalerei und links und rechts von mir sogar eine wirkliche beeindruckende Kunstwerke. Da kann die heimische Dorfkirche leider bei weitem nicht mithalten. Ich fühlte mich aber trotzdem etwas fehl am Platz. Denn mein sehr gut abgestimmtes Outfit, passte sich zufälligerweise zu perfekt an den karierten Marmorboden an und ich fürchtete, dass könnte doch als ein wenig lächerlich aufgefasst werden:

 

 

Als ich dann auch noch mit quietschender Sohle wieder herauswatschelte, fing ich mir verständlicherweise ein, zwei böse Blicke. Trotzdem auf eine Weise sehr amüsant, vor allen Dingen von außen betrachtet.

 

Damit hatte ich dann auch schon alles gesehen, was dieser Ort an Sehenswürdigkeiten zu bieten hatte. Der wahre Charme liegt hier aber definitiv nicht im Materiellen, wie den Bauwerken oder den Yachten, sondern in den exklusiven Geschichten, die dieses Dorf von ausgelassenen Abenden und luxuriösen Partys erzählen kann. Ich setzte mich noch einmal ans Wasser und genoss das ruhige Spiel der blauen Wellen zwischen den Booten, beobachtete wie das erste Treiben auf den Decks im Hafen, blickte noch einmal ins Antlitz der Kreuzfahrtschiffs, das immer noch flauschige, graue Rauchschwaden träge vor sich hin spuckte. Noch ein letzter tiefer Atemzug der frischen, salzigen Meeresluft, dann erhob ich mich und ging zum Auto. Wenn ich mich beeile, schaffe ich es noch rauszukommen, bevor die dritte Stunde anbricht und bezahle nur 12 statt 16 Euro.

 

Im Gehen höre ich, wie eine Fähre ihre ersten Passagiere des Tages am Hafen abliefert und um die 30 Leute schwärmen nun über dem Platz aus. Der Himmel zieht sich zu und ein grauer Schatten legt sich über das Dorf. Ich beschleunige meinen Schritt…

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Rapallo bei Nacht
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oma
oma
2 Jahre zuvor

Auf einer Busreise habe ich auch Portofino kennengelernt und bin durch die kleinen Gassen und Läden geschlendert. Dort habe ich gehört, das Ferrar ein Cabrio nach der Stadt benannt hat. Passt ja auch zu den „Schönen und Reichen „“. Das wirklich schöne Meer zieht eben Alle und Alles an !

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