Obwohl ich eigentlich nur für ein Eis gestoppt hatte, war ich beim Eintreten durch die Burgtore direkt von der Altstadt verzaubert, die mich umschloss. Ein uriges Café und eine kleine Gelateria begrüßt die eintretenden Besucher mit einem Lächeln. Doch mit jedem Schritt tiefer ins Zentrum verflog dieser Schein alsbald.
Ein touristischer Souvenirshop reiht sich an den nächsten. Zugegebenermaßen mit einem stillvollen Auftreten in traditionellem Gewand mit Qualitätswaren und kulinarischen Spezialitäten allesamt, dennoch eine klare Touristenfalle, bei der auch ich mich fast schon in der ersten Minute in einen Kaufrausch hätte verleiten lassen.
Unter dem ‚Torre dei Becci‘ hindurch und da wartet auch schon das Highlight jeden Reiseführers über diese Stadt auf mich. Die berühmte Gelateria, geschmückt mit einer langen Menschenschlange vor dem Eingang. Ich platzierte mich erstmal auf die andere Seite des Platzes, um das Geschehen mit sicherem Abstand zu betrachten. Irgendwann fügte ich mich aber und schloss mich der Schlange an, immerhin bin ich im Grunde ja sowieso nur dafür hierhergekommen. Und ich kam auch relativ schnell dran. Zwischen betreten und verlassen der Eisdiele lagen vielleicht 40 Sekunden, so schnell wurde ich von einer der fünf Verkäufer:innen abgefertigt. Nun hielt ich es also in der Hand, das berühmte Gelato. 2 Kugeln, 3 Euro, noch ein relativ mäßiger Preis für diese Perle des Genusses. Schokolade und Stracciatella. Es war… sehr gutes Eis. Mehr aber auch nicht. „Gelato World Champions 2007/08 and 2009/10“ steht groß über der Theke und am Eingang in grellen Farben. Das ist nun aber auch schon gute 15 Jahre her. Damals verkauften sie ihr Eis wahrscheinlich noch mit Stil und kamen zu diesem unverhofftem Erfolg. Und so konnten die Besitzer mit vollem Stolz ihren Ort berühmt und touristisch machen. Jede Stadt hat Tourismus und in so unglaublich malerischen Umgebung wie der Toskana ist das auch verständlich und gut für die einheimische Wirtschaft. Aber hier fehlt einfach der Ausgleich. Der Ort bietet eigentlich nichts als diese Eisdiele, die, von ihrem Erfolg überrannt, definitiv jegliches Genie das sie damals zum Meistertitel führte, verloren hat. Um die Leute anzulocken reicht es dennoch, sie zu halten aber nicht wirklich. Also wurden dann wahrscheinlich die drei kleinen Museen der Stadt großzügig ausgebaut, weniger bedacht auf Kultur als auf Einnahmen. Und nun steht San Gimignano sicherlich bei vielen Besuchern der Toskana ganz oben auf der Reiseliste.
Naja, immerhin eine Win-Win Situation für diesen Ort. Sie können ihr Eis verkaufen und den Touristen ganz nebenbei Porzellan und Käse im 10-fachen Wert davon andrehen und leben ein reiches und glückliches Leben. Ob die Bewohner des Dorfes, die nicht vom Tourismus leben, wohl aber auch so glücklich über die tausenden deutschen (und ich sage deutsche, weil sie definitiv 90% der Masse ausgemacht haben) Besucher sind, die ihre Stammbar überrennen, daran lässt sich doch zweifeln.
Große Kritik und am Ende bin auch ich mit einer Souvenirtüte in der Hand und ein paar Scheinen weniger in der Tasche aus der Altstadt geschlendert.
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Ja, den Weg zum besten Eis aller Zeiten geht wohl jeder Tourist in Italien immer und überall !
Du erstaunst mich mit jedem deiner Kommentare,die viel Empfinsamkeit ausstrahlen , so viel Sentimentalität und Naturverbundenheit erkennen lassen . Sehr schön zu lesen, ich kann mir Veles so richtig bei geschlossenen Augen vorstellen. Bin gespannt auf die nächsten Etappen.